Nachdem die SchülerInnen der FOS im vergangenen Schulhalbjahr im Rahmen des Projekts „Europeans for Peace - Don’t disable us!“
der Stiftung EVZ ihre Austauschschüler in Slowenien besucht haben, fand nun endlich der Gegenbesuch der slowenischen Schüler in Ibbenbüren statt. Neben vielen interessanten Programmpunkten zum Thema „Don’t disable us!“ soll hier der Besuch von Ingrid Matko von Oelhafen am Berufskolleg Ibbenbüren besondere Erwähnung finden. Sie erzählte den SchülerInnen der FOS und deren slowenischen AustauschschülerInnen die ergreifende Suche nach ihrer eigenen Identität.
1942 wurde die neun Monate alte Ingrid Matko von Oelhafen von den Nazis gestohlen, um Teil eines schrecklichen Experiments, bekannt unter dem Namen „Lebensborn e.V.“, zu werden. Um dem Ziel, eine arische Herrenrasse zu erschaffen näherzukommen, bemühte sich der Verein zum einen um eine Erhöhung der Geburtenziffer „arischer“ Kinder, indem schwangeren unverheirateten Frauen und Mädchen anonyme Entbindungen angeboten wurden. Zum anderen war der Verein mitverantwortlich für die Verschleppung von Kindern aus den von Deutschland besetzten Gebieten, die im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie als „arisch“ galten. Unter Verschleierung ihrer Identität wurden diese Kinder in Lebensborn-Heimen im Reich oder den besetzten Gebieten untergebracht. Oftmals wurden die Kinder an deutsche Familien – bevorzugt an Familien von SS-Angehörigen – vermittelt.
Im Alter von 58 Jahren begann Ingrid Matko von Oelhafen ihre mühsame und äußerst schwierige Suche. Schließlich erfuhr sie, dass sie eines dieser verschleppten Kinder ist. Mit der Hilfe ambitionierter Historiker schaffte sie es, ihre Herkunft bis in das heutige Slowenien zurückzuverfolgen. Durch einen Genabgleich mit den slowenischen Nachfahren ihrer leiblichen Eltern konnten ihre Wurzeln schließlich eindeutig nachgewiesen werden.
Die heute 77jährige erzählt sehr eindrucksvoll über ihre Kindheit und Jugend, die beeinflusst war von distanzierten Adoptiveltern und der jahrelangen Suche nach ihrer eigenen Identität. Die emotional immer wieder sehr aufwühlende Suche war geprägt von herben Rückschlägen, falschen Informationen und den Gedanken des Aufgebens. Letztlich hat Frau Matko von Oelhafen aber nicht locker gelassen und erzählt heute stolz, dass sie Hitlers Wunsch, eine Herrenrasse zu erschaffen, nicht mitgetragen hat: Sie ist kinderlos und hat als Physiotherapeutin mit behinderten Kindern gearbeitet und diese gefördert – Kinder die unter Hitlers Regime als „unwertes Leben“ angesehen worden wären.
Die Schüler waren sichtlich berührt und hatten viele Fragen an die beeindruckende, zierliche Frau, die so viel Stärke beweist und bereit ist, ihre Lebensgeschichte zur erzählen, auch wenn dabei – wie sie zugibt – „immer wieder alte Wunden aufreißen: Was während der NS-Zeit mit all diesen Kindern passiert ist, ist zu wichtig und muss erzählt werden!“
Die Geschichte von Frau Matko von Oelhafen ist auch unter folgendem Titel veröffentlicht worden: Hitler's Forgotten Children: My Life Inside the Lebensborn.
Dieses Buch ist in vielen Sprachen erhältlich – leider nicht in Deutsch!
Während des einwöchigen Austausches gab es noch viele weitere interessante Führungen und Workshops. So erhielten die SchülerInnen beispielsweise einen Einblick in die Arbeit mit Menschen mit Behinderung in den Ledder-Wertkstätten in Ibbenbüren, sie besuchten die Villa ten Hompel und erfuhren bei einer Stadtführung mehr über die Zeit des Nationalsozialismus in Münster. Bei einem Workshop im Gestapokeller und Augustaschacht in Osnabrück arbeiteten die SchülerInnen mit historischen Quellen aus der Zeit des Dritten Reichs. Schließlich erlebten die SchülerInnen welche Hindernisse Menschen mit Behinderung jeden Tag meistern müssen, indem sie beispielsweise im Rollstuhl oder mit verbundenen Augen Ibbenbüren erkundeten.
Ulrike Ramm